BQN-Berlin

Neues Vorstandsmitglied bei BQN Berlin e. V.

Am 21. Oktober 2020 wurde Amadou Touré in der Vereinssitzung von BQN Berlin an der Seite von Charlotte Kruhøffer und Gabriele Gün Tank zum Vorstand gewählt. Als langjähriges Mitglied des Migrationsausschusses der IG Metall, freigestellter Betriebsrat und Vertrauensmann bei der Stadler Pankow GmbH bringt Amadou Touré einen umfassenden Erfahrungsschatz beim Abbau von Diskriminierung im Arbeitskontext mit. Gleichzeitig engagiert er sich als Trainer für Gewaltfreie Kommunikation und systemischer Prozessberater, unter anderem im schulischen Kontext. Was ihn darüber hinaus ausmacht und bewegt, wollte Bob Brandenburger in einem Interview erfahren:

 

Bitte stellen Sie sich und Ihren Weg zu BQN kurz vor.

Kurz gefasst haben mich meine Biographie und meine Vision einer Gesellschaft zu BQN geführt. Meine Biographie ist die einer Migrationsbiographie - geprägt von Toleranz, Respekt und zugleich von Schmerz. Als Betriebsrat und Vertrauensmann bei Stadler Pankow habe ich u. a. direkten Kontakt zu Mitarbeiter:innen, die Diskriminierungserfahrungen machen. Im Rahmen meiner ehrenamtlichen Tätigkeiten bei der IG Metall habe ich mich vor etwa 10 Jahren gefragt, wie ich mich dort für Menschen mit Migrationsbiografie – also mit ähnlicher Biografie wie meiner –  engagieren kann. Mein Weg führte mich bis in den Bundesmigrationsausschuss der IG Metall. Hier sind alle regionalen Migrationsausschüsse vernetzt, so dass Herausforderungen gemeinsam bearbeitet und beim Vorstand platziert werden können. Von dort aus gehen strategische Impulse mit Forderungen gezielt an die Bundespolitik.

Als Klaus Kohlmeyer im Zuge der Ausweitung des Projektes Berlin braucht dich! auf Metall- & Elektrobetriebe im Jahr 2013 das Projektkonzept in einer Sitzung des Berliner Migrationsausschusses vorstellte, lernte ich dort auch BQN Berlin e. V. als Träger kennen. Wir waren begeistert von dem Konzept und da wir als Ausschussmitglieder ebenfalls Betriebsräte in unseren Betrieben waren, konnten wir die Projektidee in unsere eigenen Organisationen tragen und uns direkt beteiligen. Seitdem habe ich regelmäßig an Berlin braucht dich! Veranstaltungen teilgenommen.

 

Was bringen Sie neben Ihrer beruflichen Erfahrung mit in die Vorstandsarbeit bei BQN?

Was mich neben meinen Weiterbildungen auszeichnet, sind meine eigene Migrationserfahrung und mein Engagement in der Gesellschaft. Um einen friedvollen Umgang mit eigenen Diskriminierungserfahrungen zu finden und das Thema zu vertiefen, bin ich Trainer für gewaltfreie Kommunikation nach Marshall B. Rosenberg (GFK) geworden und habe später eine Ausbildung in „Systemischer Prozessberatung“ absolviert. Das Besondere an dieser Ausbildung war meine Abschlussarbeit, wo ich Sequenzen aus meiner Biographie mit Hilfe der Theorie „U“ von Otto Scharmer analysiert habe. Durch Empfehlungen kam es im Anschluss an diese Ausbildung zu einer Zusammenarbeit mit diversen Organisationen, die unterschiedliche Schwerpunkte haben. Unter dem Motto „Lernort“, unterstütze ich bei der IG Metall Arbeitnehmer:innen in kleinen Arbeitsgruppen um im Umgang mit Konflikten und Gewalt in der Sprache im Rahmen des betrieblichen Alltags handlungsfähiger zu werden. Bei der Friedrich-Ebert-Stiftung konnte ich Teilnehmer:innen quer durch die Zivilgesellschafft mit dem Training in GFK dabei unterstützen, Gewalt anders zu begegnen und als Quelle gestalterischer Kraft zu verstehen. Durch Theorie und praktische Übungen wird ihnen dazu ein zusätzliches Werkszeug mitgegeben.

Weitere Erfahrungen führten mich zum Training bspw. für das pädagogische Personal des Vereins „Vincentino e.V.“. Mit Hilfe der drei Ansätze wohlwollender Kommunikation, Diskriminierungsverarbeitung und Systemkontext reflektiere ich die Arbeit im Projekt gemeinsam mit den Dozent:innen.

Meine Begeisterung für das Konzept „Rassismuskritische Arbeit“ der Jugendbildungsstätte Unterfranken (Jubi) führte ebenfalls zu einer Zusammenarbeit in Form von Einführungsseminaren in GFK, die bis heute mit einem Partner vor Ort stattfinden. Zusätzlich erhielt ich das Angebot mit einem Partner vor Ort die Leitung eines Forums „GFK und Critical Whiteness“ im Rahmen einer Tagung zu übernehmen. Dieses Erlebnis hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, voneinander zu erfahren, auch wenn das mit Schmerzen verbunden sein kann.
Als Betriebsrat ist der systemische Ansatz ein gutes Instrument für die Beratung von Kolleg:innen und um Anliegen und Sachverhalte unter Berücksichtigung des Kontext klar zu skizzieren. Als ich im letzten Jahr auf einem Forum bei der Fachtagung „Menschenrecht auf Arbeit“ der Eberhard-Schultz-Stiftung für soziale Menschrechte und Partizipation meinen ganzheitlichen Ansatz vorgestellt habe, konnte ich Klaus Kohlmeyer dafür begeistern, der die Vorgespräche mit mir führte und am Ende bei der Präsentation dabei war. Daraufhin hat er mich gefragt, ob ich Lust hätte, mich für BQN Berlin e. V. zu engagieren. Als Gast bei der Mitgliederversammlung von BQN habe ich Freude an den Herausforderungen und Lust auf eine Zusammenarbeit mit den Mitgliedern und der Organisation gespürt. So sagte ich zu und kandidierte für den Vorstand.

 

Woher nehmen Sie Ihren Antrieb, sich für eine gleichberechtigte gesellschaftliche Teilhabe von Menschen aus Familien mit Einwanderungsgeschichte und direkter Flucht- oder Migrationserfahrung zu engagieren?

Die Vision einer wohlwollenden Kommunikation frei von Gewalt und Diskriminierung fühlt sich für mich gut an und ist ein Geschenk, welches ich an die Menschen verteilen kann, die ich erreiche. Je mehr Menschen ich erreiche, die an dieser Vision mitwirken und sie weitergeben, desto höher wird die Wahrscheinlichkeit, dass mein Geschenk auf diesen Umwegen wieder zurück zu mir und weiteren Menschen findet.

Bewusst ist mir das geworden in meiner Rolle als Vater in einem Umfeld, in dem das, was uns trennt und unterscheidet zunehmend wichtiger ist, als das, was uns verbindet (Gefühle und Bedürfnisse). In dieser Rolle habe ich mich als dunkelhäutiger Mensch in Elterninitiativen und im Sportverein engagiert. Als Basketball-Trainer habe ich Kinder mit unterschiedlichsten Biographien trainiert. Später bin ich einigen von ihnen begegnet. Sie haben berichtet, wie diese schöne Erfahrung mit mir sie so geprägt hat, dass sie später Menschen unterschiedlichen Aussehens gegenüber aufgeschlossen wurden. Heute freue ich mich darüber, wenn ich es schaffe Menschen zu bewegen, nach einer Begegnung mit mir ihre angeborenen Privilegien und angesammelten Vorurteile zu reflektieren. Umgekehrt bin ich dankbar, wenn Interaktionen bei mir selbst diesen Perspektivwechsel auslösen und ich meine eigenen Vorurteile reflektiere.

 

Welche Herausforderungen für BQN sehen Sie in den nächsten Jahren auf uns zukommen?

Ich habe mitbekommen, dass sich BQN momentan in einer Umbruchphase befindet. Bei der Mitgliederversammlung habe ich bereits einiges aus der Erfahrung von BQN lernen dürfen. In dieser Umbruchphase möchte ich meine Erfahrungen zur Verfügung stellen und neue mit auf meinem Weg nehmen. Dazu gehört der Dialog jenseits von Richtig und Falsch. Das heißt, dass wir weitere Wege gemeinsam suchen werden, um unsere Partner:innen für unsere Vision zu begeistern und für unser Verständnis von Vielfalt in der Gesellschaft zu gewinnen. Dabei könnte uns beispielsweise der systemische Ansatz helfen, den Kontext von Diskriminierungsprozessen anders zu verstehen.

Ich betrachte das so: Je mehr Werkzeuge wir im Koffer haben, desto mehr Chancen haben wir, unsere Ziele zu erreichen. Es geht also nicht um Richtig und Falsch, sondern um die Palette der Werkzeuge, die wir zur Verfügung haben.

 

Haben Sie ein Motto, welches Ihre Entscheidungen begleitet?

Zwei Mottos sind gerade präsent, die meine Denkweisen und meine Handlungen motivieren:

„Jenseits von Richtig und Falsch gibt es einen Ort. Dort möchte ich dich treffen.“

Dieses Zitat eines Sufi-Philosophen tut mir immer dann gut, wenn in der Begegnung absolute Haltungen aufeinanderprallen. Es hilft mir bei Darstellungen, Fragestellungen, Antworten und Lösungsansätzen zu schauen, was es noch an Kompromissen geben könnte. Darüber hinaus hilft es mir zu schauen, was uns menschlich verbindet, wie Gefühle und Bedürfnisse, anstatt was uns trennt, meistens Strategien.

Das zweite Motto stärkt mich darin, zu versuchen, das erste im Alltag zu leben.

„Wenn du nur eine Lösung hast zu einem Problem, dann hast du das Problem nicht verstanden.“

Die Vielfalt der Gefühle und Bedürfnisse der Menschen begründet an sich schon, dass es für zwischenmenschliche Beziehungen nicht nur eine Lösung geben kann, sondern viele. Die Herausforderung liegt aus meiner Sicht darin Lösungen zu suchen und zu finden, die unsere jeweiligen Bedürfnisse zufriedenstellen, denn diese werden mit großer Wahrscheinlichkeit nachhaltig verfolgt.

 

Vielen Dank für das Interview!

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